PACK REPORT Ausgabe 4 - April 2014
Leichtgewichte auf dem Weg nach vorn
Die Gewichtseinsparung wird zum Schlüssel bei der Entwicklung innovativer Getränkegebinde
Welche Möglichkeiten gibt es, Getränke umweltfreundlich, kostengünstig und unbeschadet vom Hersteller in den Handel oder die Gastronomie zu bringen? Vor dieser Frage stehen die Entwickler neuer Gebinde. Ihr Augenmerk richten sie vor allem auf das Gewicht der Verpackung. Sie machen den Transport teuer, da die Kapazitäten der Transportlaster schnell erschöpft sind. Und auch der Endkunde will es möglichst komfortabel haben und auf dem Weg vom Supermarkt nach Hause möglichst wenig schleppen. Neben dem „Gewichtstuning“ bei Glasflaschen gibt es mit immer leicht werdenden PET-Flaschen oder Bag-in-Box Gebinden weitere leichte Alternativen für Privathaushalte oder den Out-of-Home Markt.
Das Thema Nachhaltigkeit und Glas spielt in der Behälterglasbranche seit vielen Jahren eine große Rolle. Leichtglas lautet das Stichwort, das die Entwickler innovativer Glasflaschen seit Jahren inspiriert. Nach Angaben des Aktionsforums Glasverpackung haben es die Ingenieure geschafft, zwischen den Jahren 1970 und 2007 beispielsweise das Durchschnittsgewicht der 1-Liter-Mineralwasserflasche von 570 auf 295 Gramm nahezu zu halbieren. Zustande kam die Gewichtsreduzierung vor allem durch gleichmäßigere Wandstärken und eine optimale Formgebung. Bei der Herstellung wird der Verbrauch von Energie und Material gesenkt und es kann ressourcenschonend produziert werden. Trotz der Gewichtsreduzierung bleibt aber die Flaschenstabilität erhalten. Dies ist auch dringend erforderlich, denn die Leichtglasflaschen müssen den Belastungen im Rahmen der Getränkelogistik mit zahlreichen Be- und Entlade-Vorgängen sowie dem bestehenden Innendruck standhalten.
Material und CO2-Einsparung ohne Qualitätsverlust
Das Schweizer Unternehmen Vetropack, einer der führenden Verpackungsglashersteller in Europa, hat die Entwicklung von Leichtglas in den vergangenen Jahren vorangetrieben und agiert damit erfolgreich auf dem Markt. Bei den neuen Glasflaschen wurde ausschließlich am Gewicht gespart. Die Qualität, Festigkeit und Stabilität blieben von der Weiterentwicklung unberührt.
Nach dem Motto „eine gute Vorausplanung erleichtert die Arbeit“, steht bei der Entwicklung neuer Leichtglasflaschen die intensive Computeranalyse am Bildschirm im Mittelpunkt. Dazu wird der gesamte Glaskörper der Flasche in Teilkörper „zerlegt“ (Finite-Elemente). Vor dem Design wird ermittelt, an welchen Stellen beim Transport oder im Handling die größten Belastungen auf das Material zukommen. Stark vereinfacht beschrieben, werden die betreffenden Stellen, die mit dem bloßen Auge kaum zu erfassen sind, durch die Designer so verändert, dass hier die Belastung abnimmt. So gelingt es Vetropack wirksam und erfolgreich, eine hohe Stabilität bei geringem Gewicht sicher zu stellen.
Eine Gegenüberstellung des Leichtglas-Weinflaschensortiments mit konventionellen Weinflaschen verdeutlicht die Verbesserungen. Während die klassische 0,75 Liter Bordeauxweinflasche ein Gewicht von 400 Gramm auf die Waage brachte, wiegt die Leichtglasflasche lediglich 350 Gramm. Rechnet man die Gewichtseinsparung auf eine Million Flaschen hoch, liegt diese bei rund 50 Tonnen. Ebenso kann sich die reduzierte Umweltbelastung im Hinblick auf den CO2-Ausstoß nach Rechnung von Vetropack sehen lassen: Bei der Herstellung von einer Million Weinflaschen aus Leichtglas (à 0,75 l) beziffert der Hersteller die CO2-Einsparung auf 34 Tonnen. Das bedeutet, die Kohlendioxid-Emission verringert sich um 12 bis 17 Prozent. Ähnliches gilt für die Herstellung von Bierflaschen: Bezogen auf die Herstellung von 1 Millionen Bierflaschen des Typs C 330 ml haben die Ingenieure eine Glaseinsparung von 30 Mio. Tonnen und eine CO2-Reduzierung von 21 Mio. Tonnen erzielt.
Leicht und bekömmlich - Wasserflaschen als Lightversion
Es sind längst nicht nur Wein- oder Bierflaschen, die in der Leichtglasversion hergestellt werden. Auch Mineralwasserflaschen im Mehrwegsystem gibt es inzwischen als „Lightausgabe“. Innovationsfreudig zeigt sich dabei das Unternehmen Kondrauer-Mineral- und Heilbrunnen, das Mineralwasser Naturell ohne CO2 und Mineralwasser medium mit 3,0 g/l CO2 in eine Mehrweg- Leichtglasflasche abfüllt. Die letztlich entscheidende Initialzündung bot ein Konsumententest, der zu Tage förderte, dass 70 Prozent der befragten Personen die Leichtglasflasche als Alternative zu PET kaufen würden. „Kritische Verbraucher schätzen die Qualität von Glas und brauchen nun nicht mehr das hohe Gewicht von fast 600 Gramm je Flasche zu scheuen“, so Kondrauer Geschäftsführer Markus Humpert.
Die Markteinführung einer 0,75 Liter Mehrweg-Leichtglasflasche in einem 6er-Kasten wurde im Rahmen einer Master-Thesis an der Universität Reutlingen ausgearbeitet und von der deutschen Umwelthilfe und der Stiftung Initiative Mehrweg ausgezeichnet. Die Leichtglasflasche ist mit 345 Gramm spürbar leichter als die gängige Mineralglasflasche (Perlglasflasche). Ein weiteres Plus: Durch das reduzierte Gewicht verringert sich auch der Materialeinsatz um fast 50 Prozent. Gleiches gilt für den Energieverbrauch bei der Produktion der Flaschen und beim Transport.
Geringerer Materialeinsatz – steigende Empfindlichkeit
„Der verringerte Materialeinsatz bringt allerdings auch eine höhere Empfindlichkeit beim mechanischen Umgang mit sich“, erklärt Kondrauer Unternehmenssprecher Jonas Seidl. „Sowohl während des Abfüllungsprozesses als auch beim Umgang mit dem Leergut wurden Bedingungen geschaffen, um die Flaschen zu schonen.“ Dazu zählt die Lagerung in geschlossenen Hallen. Die Parameter der Flaschenreinigung können beibehalten werden (25 min, 1,6 % NaOH, Hauptlauge, 82 0C), der Glideliner, mit dessen Hilfe Flaschen von mehrbahnigen Transportbändern auf einbahnige Bänder zusammengeführt werden, wird genau justiert, um eine schonende Vereinzelung zu gewährleisten und eine Lichtschranke steuert die Transportbänder so, dass eine möglichst drucklose Förderung der Flaschen um eine 90 0 Kurve vorm Einlauf zum Einpacker gewährleistet ist. Aufgrund des geringeren Materialeinsatzes und der dadurch bedingten geringeren Innendruckfestigkeit lässt sich Mineralwasser mit hohem CO2 Gehalt nicht in die Leichtglasflasche abfüllen. Dies ist ein Nachteil gegenüber der Perlglasflasche.
Veränderungen im Transportvolumen und der -kapazität
Im Gebindevergleich der klassischen Perlglasflasche (0,7 l) in Relation zur Leichtglasflasche werden die Unterschiede besonders deutlich: Die Anzahl der Flaschen, die auf einer Palette transportiert werden können, liegt bei 480 (Leichtglas) im Vergleich zu 432 Flaschen bei der Perlglasvariante. Auch die Volumenkapazität, die auf einer Palette transportiert werden kann, steigt durch den Einsatz von Leichtglas auf 360 Liter (302,4 Liter Perlglas) bei annähernd gleichem Palettengewicht.
Bag-in-Box die Leichtgewichtalternative
Ein geringes Gewicht, ökologische Vorzüge sowie günstige Einkaufskonditionen und komfortables Handling zeichnen ebenso innovative Bag-in-Box (BiB) Gebinde aus. Die Verpackung beruht auf ein Einweg-System, das nur einen minimalen Verpackungsmüll mit sich bringt.
Um Getränke wie Weine, Säfte oder auch Milch in Bag-in-Box Verpackungen abzufüllen, werden in der Regel Schläuche aus hauchdünnem, beschichtetem Aluminium oder Folienverbundmaterial wie Polyäthylen mit Volumen von 3 bis 20 Litern verwandt. Beide Beutel entsprechen hinsichtlich ihrer Qualität den strengen Hygienerichtlinien für Lebensmittel. Ummantelt werden die Beutel von recycelbarer Wellpappe. Die gefüllten Bags füllen die Kartons fast komplett aus, so dass die quaderförmige Bag-in-Box Gesamtverpackungen überaus stabil beim Transport und platz- und damit kostensparend bei der Lagerung sind. Selbst Erschütterungen oder dauerhafte Druckbelastungen wie sie im Rahmen der vielgliedrigen Transportkette entstehen, meistern die Gebinde problemlos. Da sich die Schläuche beim Entleeren zusammenziehen (Vakuumabfüllung) bleibt letztlich nur ein geringer Verpackungsmüll, so dass sich die Umweltbelastung auf ein Minimum reduziert.
Welche Schlauchvolumen die Getränkehersteller für die Abfüllung auswählen, hängt davon ab, ob die Getränke für den privaten Konsum zu Hause oder den Out-of-Home Markt vorgesehen sind. Für den Einsatz in der Gastronomie sind vor allem Gebinde in den Größenordnungen von zehn oder zwanzig Litern die favorisierten Größen. „Durch das geringe Gewicht und die kompakte, leichte Verpackung passen statt 450 Liter Flaschenwein rund 720 Liter Bag-in-Box Wein auf eine Transportpalette – und das zum gleichen Preis. Der Vorteil rechnet sich für die Einkäufer in Gastronomie und Handel, und damit auch für den Gast oder Verbraucher. Im Vergleich zu einem Flaschenwein der gleichen Qualitätsstufe lassen sich beim Einkauf fast 30 Prozent des Preises einsparen“, sagt Christian Machers, Geschäftsführer des Unternehmens Gastro-Cool, das sich auf die Herstellung von Bag-in-Box Equipment für die Gastronomie konzentriert. „Zahlreiche Gastronomen haben die Bag-in-Box Verpackungsform für sich entdeckt. Die Vorteile dieser Gebinde im Hinblick auf die Transportkosten und Umweltfreundlichkeit sind enorm“, sagt Christian Machers. Er stellte in den vergangenen Jahren einen Trend zum Bag-in-Box Einsatz in der Gastronomie fest. „Da eine große Auswahl an modernen Dispensern zur Verfügung steht, die als Kühlschrank und Ausschank-Tool zugleich dienen, vereinfachen sie ebenfalls die tägliche Arbeit im Service.“
PET – mehr Widerstand trotz weniger Material
Die Reduzierung des Verpackungsgewichts stand auch beim Unternehmen Sidel im Mittelpunkt, das kürzlich eine neue 0,5-Liter-PET-Flasche auf den Markt gebracht hat. Die so genannte RightWeight-Flasche für stilles Wasser wiegt 7,95 Gramm, ist aber bis 33 Kilogramm ohne Stickstoffdosierung stapelfest. Die erhöhte Widerstandsfähigkeit der RightWeight-Flasche erschwert das unbeabsichtigte Zusammendrücken ultraleichter Flaschen, mit dem sonst allzu leicht Flüssigkeit verschüttet wird. „Getränkeproduzenten streben zunehmend an, den Wert der PET-Flasche über die ganze Lieferkette von der Konzeption bis zum Verbraucher zu steigern“, sagt Christophe Bunel, Head of Packaging Care & Development bei Sidel. „Dafür muss eine Flasche natürlich leichter sein, aber trotzdem attraktiv bleiben, das Getränk schützen und hohe Kundenzufriedenheit sichern. Bei Sidel nennen wir das ‚Rightweighting’, das richtige Gewicht finden. Es geht nicht mehr nur um die Reduzierung des Kunststoffs. Unser neues RightWeight-Flaschenkonzept ist auf geringeres Flaschengewicht, Energieeinsparungen bei der Produktion und höhere Leistungen der Flasche über die gesamte Lieferkette ausgelegt, ohne Zugeständnisse hinsichtlich der Produktqualität und mit weitaus höherer Verbraucherfreundlichkeit bei einer so leichten Flasche.“
Im Vergleich zum aktuellen Durchschnittsgewicht von 12 g für handelsübliche 0,5-l-Flaschen für Wasser ist die 7,95-g-Flasche um 34 % leichter. Nach Angaben weist sie ebenfalls eine 32 % größere Widerstandsfestigkeit gegenüber Stapellasten als die leichtesten derzeit marktgängigen Flaschen auf was nach Berechnungen von Sidel zu jährlichen Einsparungen von bis zu 1,75 Mio. EUR führt. Auch beträgt der Ausblasdruck für die Flasche nur 20 bar. In vielen Fällen weisen die Flaschen dieselbe Stapelfestigkeit auf wie ultraleichte Flaschen, die mit Hilfe von Stickstoffdruck abgefüllt werden, doch da erstere keinen Stickstoff benötigen, führt dies zu weiterer Kosten- und Energieeinsparung.
Fazit
Das Gewicht ist der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Entwicklung und Optimierung von Getränkegebinden geht. Bei nahezu allen Getränkeverpackungen arbeiten die Ingenieure mit Hochdruck daran, hier Verbesserungen zu erzielen. Dies gilt von der Leichtglasflasche über PET-Gebinde bis hin zu Bag-in-Box Verpackungen. Wichtige Vorteile sind zudem die umweltschonende Produktion durch geringeren Materialeinsatz und weniger CO2-Emissionen sowie die Kostenminimierung im Rahmen der Transportkette. Welches Gebinde ideal ist und zum Einsatz kommt, müssen Getränkehersteller individuell bewerten. Bei der Auswahl steht ihnen ein großes Produktangebot zur Verfügung, denn der Verpackungsmarkt für Getränke entwickelt sich dynamisch weiter. Für Getränkehersteller lohnt es sich daher, die sich bietenden Möglichkeiten genau zu prüfen